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Dienstag, 18. Oktober 2011

Falschverstandene Loyalität

Noch einmal ein kurzer Schwenk zurück zur Buchmesse. Am letzten Sonntag wurde - traditionsgemäß - der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen. Der Oktober ist nun wirklich der Monat der Ehrungen und Verehrungen geworden. Meist sagt ein Preis ja eher etwas über die Preisverleiher denn über die -träger aus.
Dieses Jahr ging er an Boualem Sansal. In seiner Festrede, die eher politisch war, was in Anbetracht der politischen Ereignisse in diesem Frühjahr im nordafrikanischen Raum wirklich naheliegend ist, knüpft er an sein Buch "Postlagernd Algier" an.
Nun habe ich es leider versäumt, die Rede in ihrer Gesamtheit zu hören oder zu lesen (das kommt noch), doch einiges ist mir im Wortlaut doch haften geblieben. Er prangerte darin ja nicht nur die westlichen Mächte an, die in ihrer Ignoranz den Diktatoren hinterherhechelten und als Dank einige Bodenschätze erwerben dürfen, sondern auch die politischen Mächte in seinem Land, also die "Turbane und Mützen", die das Land unter sich aufgeteilt haben, ohne das Volk zum Recht kommen zu lassen.

Und damit kommen wir zum eigentlichen Punkt: falschverstandene Loyalität. Denn wenn Sansal fordert, dass Gläubige ein wenig mehr Toleranz ausüben sollten, werden viele Muslime aufgeschrien haben. Doch seine Forderung ist berechtigt. Schauen wir uns doch mal die zunächst politischen und gesellschaftlichen Situationen an. Bei vielen Arabern oder generell den Südländern sind die "B-Vitamine" sehr verbreitet, ergo: Beziehungen zu einflussreicheren oder vermögenden Menschen. Genau danach werden auch die Kontakte gepflegt. Hoffnung auf ein besseres Leben haben dann genau diejenigen, die ausschließlich auf diese Kontakte setzen - meint man. (Natürlich möchte man das Beste für die Familie, das streite ich nicht ab). Dann sitzen also in den Ämtern und Institutionen Leute, die in irgendeiner Weise mit dem Chef oder Präsidenten oder oder verwandt, bekannt, verschwägert, etc pp sind. Menschen, die tatsächlich Qualifikationen für diese Arbeit besitzen, bleiben dann außen vor, denn sie haben ja nicht die richtigen Beziehungen. (Es ist definitiv kein Wunder, warum die Staatsapparate in Griechenland, Italien und Spanien so künstlich aufgebläht sind, wenn jeder irgendeinen Verwandten mit einstellen möchte) Viele Menschen verstehen aber auch nicht, ihr Privatleben und das Berufsleben strikt zu trennen. Da wird eben auf die Tante mütterlicherseits gehört, wenn sie meint, dass ihr Ältester trotz Analphabetismus und Hang zur Faulheit auch einen so tollen Job verdient habe, man möge doch für ihn in ebengleicher Firma/Institution eine Arbeit finden. Ergo hat man den Platz für eine neue Büro-Potatoe geschaffen. Ist ja Familie und Familie geht vor....Kann auch hier vorkommen, ist aber eher selten.

Gehen wir jetzt mal zu den Muslimen. Da wird ja immer gleich kollektiv aufgeschrieen, wenn denn jemand angegegriffen wird, ob als Einzelperson oder als Staat (der sich den Anschein geben möchte, muslimisch zu sein), sei es physisch durch eine Armee oder aber durch die Medien (welche auch immer). Schuld sind dann immer die Juden in aller Couleur, weil sie sind ja die Drahtzieher....die stecken überall dahinter. Schuld sind dann auch die Medien, denn sie sind auch die Bösen, aber die wurden ja auch von den Juden aufgekauft. Und dann sind da noch überall die bösen Kuffar, die lauern überall...(ja, Feinde kann man haben und wenn man keine hat, schafft man sich eben welche...das nennt man dann Verfolgungswahn)

Gemach, liebe Geschwister: Viele Konflikte sind nicht gegen die Muslime als Religionsgemeinschaft gerichtet,sondern eher meist auf politischer und historischer Ebene begründet. Man mag immer gerne alles auf die Religionen schieben wollen, ist aber ausgemachter Mumpitz. Politisches Machtgebaren und Besitzansprüche sowie Konkurrenzdenken kann man eher dahinter vermuten. Bei den Medien ist es genauso, vieles wird immer in eine Schublade gestopft. Im Endeffekt ist es bei den meisten Menschen genauso. Viele vergessen immer, dass Araber nicht nur Muslime sein können, sondern auch Christen oder Juden. Im Umkehrschluss ist nicht jeder Israeli gleichzeitig ein Jude, sondern kann auch ein Muslim sein.

Ich muss nicht jeden Muslim leiden können, der hier das Rampenlicht geniesst a la "Hauptsache, man redet über mich". Wenn ich mit seiner Lebensweise und seiner Anschauung nicht konform gehen kann, dann kann ich das auch sagen. Wenn ich die Meinung anderer Geschwister nicht teile, was Medienberichte über ihn angehen, dann kann auch ich das sagen. Liebe Geschwister: Ich kann Frau Merkel kritisieren oder Barack Obama (den ich ja für völlig überschätzt halte, der aber so hoch geschätzt wurde ob seines muslimischen Vaters?), genauso wie ich Muslime kritisieren kann. Es kommt nur auf die Art und Weise der Kritik an. Ich kann auch eine deutsche Muslima sein, ohne dass ich meine deutschen Wurzeln vollkommen über Bord werfen muss. Ich mag die deutsche Mentalität, genauso wie ich manche Eigenschaften der Araber mag (aber nur manche). Ich muss nicht mit jedem Muslim einer Meinung sein, nur weil er Muslim ist. Das wäre dann falschverstandene Loyalität und damit Heuchelei. Ich gehe dann mit ihm konform, wenn er vernünftige und sachbezogene Ansichten hat. Und dazu muss er nicht mal Muslim sein.

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