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Mittwoch, 4. Juni 2014

Bist du eine 1 oder eine 0?

Zero
Marc Elsberg
Blanvalet, Gebunden
Erschienen  Mai 2014
ISBN 978-3-7645-0492-2




Nach seinem Debüt "Blackout", in dem es zwar vordergründig um das Katastrophen-Szenario des kompletten Stromausfalles in Europa ging und damit um den gesellschaftlichen Zusammenbruch, hintergründig aber um die Frage, inwiefern moderne Versorgungssysteme manipulierbar von aussen sind durch "Kracker" (von mir benutzter Begriff für Menschen, die zivilen Leuten mit Schadprogrammen und Trojanern schaden. Der echte "Hacker" gibt sich schon  allein aus Prinzip nur mit den grossen Fischen ab und versucht deren Systeme zu knacken, um zu beweisen, dass er es schaffen kann bzw. sie in ihre Schranken zu verweisen), wendet sich Elsberg auch diesmal dem Thema Datenmanipulation (im Internet) zu.

Nach den langen und ausgiebigen, aber nicht lösungsorientierten Diskussionen um das Thema Datensicherheit, das ausgerechnet von einem ehemaligen NSA-Mitarbeiter in den öffentlichen Raum gelangt ist, mag sich Elsberg vielleicht ganz leicht damit beschäftigen, geht aber tatsächlich einen massiven Schritt weiter: Wie weit sind wir überhaupt manipulierbar und schlimmer noch: Sind wir so vorhersehbar, dass Algorithmen unser Verhalten im Netz und auch alltäglichen Leben im Voraus berechnen können? - Minority Report lässt grüssen....

Freemee ist ein neuer Player im weltweiten Netz und hat eigenen Aussagen zufolge schon viele Millionen Nutzer. Es bietet Apps - kostenlose und kostenpflichtige - die allesamt dem Nutzer einen entscheidenden Vorteil bieten: sie machen ihn erfolgreicher, attraktiver, glücklicher, fitter. Alles, was er dafür tun muss, ist, einen sehr langen Fragebogen so exakt wie möglich auszufüllen, sonst ist die Berechnung des Profils ja nicht wirklich vollständig und Freemee kann demzufolge auch nicht hundertprozentige, auf den Nutzer abgestimmte Apps empfehlen.

So weit, so gut. Kennen wir ja schon. Doch hier geht Elsberg in der Story weiter. Tatsächlich läuft im Hintergrund eine Art Ranking - ein Programm namens ManRank. Und wie das so ist, man kann dort jedesmal seine Werte überprüfen, ist man besser oder schlechter als der Freund oder der Nachbar? Wer ist denn bloss derArme, der da noch gar nicht aufgeführt ist? Vier Milliarden Menschen sind schon in der Statistik erfasst, der Rest ist "eine Null". "Besser eine schlechte Wertung als gar keine Wertung", so wird das im Buch gesagt, und den Ausspruch kennen wir ja auch: "Besser schlechte Presse als gar keine Presse." Bei Freemee ist alles miteinander vernetzt: Kreditkarten, Einkaufsverhalten, persönliche Daten, Freunde, Familie, Bekannte, all das machen dann die Punkte, die einen nach oben oder unten rutschen lassen können. Hat man die Jeans gekauft, die von der App empfohlen wurde? Ist man dem Rat einer anderen App gefolgt, mehr für die Schule zu lernen? Hat man ggf. Personen die Freundschaft gekündigt, weil es besser für den sozialen Status und damit auch besser für ManRank und die eigene Position in der Liste ist?

Vernetzt sind wir ohnehin in dieser digitalen Zeit, doch sollte es uns Angst machen, dass wir peu a peu steuerbar sind. Manipulierbar. Und das hat nicht nur mit der Datennutzung zu tun. Wie wäre es denn mit politischen Wahlen? Oder einer bestimmten Firma, deren Produkte dank einer App plötzlich in sind oder die zumachen kann, weil man ihre Produkte schlicht und einfach für nicht mehr zeitgemäss und gesellschaftstauglich erklärt?

Können wir Normalverbraucher und Netznutzer denn auch die Algorithmen entschlüsseln und vllt. auch verändern? Können wir überhaupt noch mithalten mit dem, was das Internet ausmacht, das sich jeden Tag ein wenig mehr ändert, ein wenig mehr vergrössert? Anders gefragt: Ist der Mensch überhaupt kompatibel mit einer Erfindung, die er nicht mehr im Mindesten verstehen kann? (ich rede hier im Übrigen vom Ottonormalverbraucher, also Zivilisten...)

Dass Marc Elsberg diese Fragen nicht zufriedenstellend beantworten kann ob der Komplexität des Themas, aber die Leser zum Nachdenken anregen kann, das beweist er mit diesem Buch.

Ein wunderbares Zitat aus dem Buch möchte ich euch aber nicht vorenthalten:

"Stell dir vor, deine Regierung oder die Polizei würden von dir verlangen, das du die ganze Zeit ein Kästchen mit dir herumträgst, das permanent meldet, wo du bist und was du gerade tust. Den Finger würdest du ihnen zeigen! Die Datenoligarchen dieser Welt hingegen bezahlst du auch noch dafür dass sie dich ausspionieren. Das ist die hohe Kunst der Überwachung! Darf ich dir bitte mein Geld dafür geben, dass du mich ortest und meine Daten verwertest? Von denen können die Geheimdienste dieser Erde echt was lernen!"   


   

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