Wenn meine Seele ein Garten wäre
Als ich vor zwei Jahren an der
Bushaltestelle in der Nähe meiner Wohnung auf den Bus wartete, fiel
mir ein Plakat einer freikirchlichen Einrichtung auf, das zum
"stattkaffeegottesdienst" einlud.
Thema war "Wenn deine Seele ein
Garten wäre". Und das brachte mich auf den Idee, einige
Gedanken dazu zu notieren. Klar hat es lang gedauert, allerdings
musste ich mir auch darüber klar werden, wie ich es am besten auf
den Punkt bringe, ohne mich dabei allzusehr im Artikel zu entblössen.
Wie sieht eigentlich mein idealer Garten aus?
Ja, und da kommen wir zum
Knackpunkt, denn meinen idealen Garten gibt es nicht! Es ist immer
was zu tun und wer die Vorliebe von Frauen kennt, Wohnungen mal
schnell umzugestalten, kann sich auch gut vorstellen, dass man mit
der Gestaltung seines Gartens immer nur bis zur Winterpause zufrieden
ist. Toll wäre natürlich ein Garten, in dem man ohne Unkraut,
abgestorbene Pflanzenteile, kaputte Zaunteile oder abblätternde
Farbe auskommen muss, doch es befriedigt auch ungemein, sich um den
Garten zu kümmern, also nimmt man solche Sachen gern in Kauf , um
sich schlussendlich an seiner eigenen Arbeit zu erfreuen.
Wie sieht dann der Zustand des "Ist"-Gartens aus?
Gibt es ein nettes kleines
Gartenhaus oder eher einen windschiefen Schuppen?
Führen die Wege nur aussen herum, so
es denn auch Wege gibt oder muss man sich einen Pfad durch totes
Gestrüpp bahnen?
Ist die Mauer hoch und undurchsichtig
oder gibt es gar keine Begrenzung, sodass jeder dazu eingeladen ist,
sich im Garten umzuschauen?
Gibt es nur eine öde Rasenfläche, die
nicht einmal Platz für Wiesenblumen lässt oder hat man schön
gestaltete Blumen- und Gemüsebeete, gar einen kleinen Teich und
viele Bäume (ich liebe Bäume!)?
Warum ist Gartenarbeit mit der Arbeit an der Seele vergleichbar?
Ganz gleich, wie gross der Garten
ist und was er beinhaltet, Arbeit gibt es immer. Auch im Winter. So
ist es auch mit der Charakterreinigung: Arbeit gibt es immer, denn
wir müssen uns Tag für Tag unser Verhalten vor Augen führen.
Seinen Garten besucht man (zwar meist
nicht bei strömendem Regen) fast jeden Tag, um zu schauen, ob alles
in Ordnung ist; Unkraut sprießt - so weiß der erfahrene Gärtner -
immer und meist an Stellen, wo man es nicht erwartet...ob sich kein
unliebsamer Besucher eingenistet hat - kurz: wir umhegen den Garten
und seine Pflanzen - die wir selbst ausgesucht und an- oder
umgepflanzt haben nach langer Planung, wie unser Garten aussehen
soll.
Und so ist es auch mit unserer
Seele. Jeder von uns hat ein Ideal vor Augen, das er gerne erreichen
möchte und so muss er jeden Tag daran arbeiten, es - in kleinen
Schritten nur - zu schaffen. Schlechte Eigenschaften werden - ähnlich
dem Unkraut und den abgestorbenen Pflanzen(teilen) - versucht
auszumerzen, daß das bei Unkraut nicht gelingt, weiß man, doch
genauso ist es bei schlechten Gefühlen wie Hass, Neid oder Hochmut.
Immer wieder kochen sie bei bestimmten Nachrichten oder Ereignissen
hoch - wohl dem, der weiß, wie man damit umgehen kann und sie
abstellen kann.
Und kennt ihr die "Zaungucker",
also die Leute, die am Zaun stehen und ab und an auf eine Stelle
irgendwohin im Garten deuten und ein "Oh" oder "Ah"
oder "Das ist eine schöne Idee, das möchte ich auch so
machen." von sich geben? Wäre es nicht schön, wenn unser
schöner Charakter ebenso ein Ansporn für andere Leute wäre?
Ich weiß schlußendlich durch die
Arbeit an diesem Artikel und mit diesem Thema, an welchem Punkt ich
starten soll, welche Bereiche mir überhaupt nicht zusagen und welche
Bereiche ich überarbeiten muss.
Denn merke: Ehe man sich über den
Garten anderer aufregt, sollte man sich darüber Gedanken machen, in
welcher Ecke seines Gartens das Unkraut ungehindert sprießt.